„Auf diesen kleinen Nicht-Zeit-Raum im eigentlichen Herzen der Zeit kann nur hingewiesen werden, er kann nicht, wie die Welt und die Kultur, in die wir hineingeboren werden, von der Vergangenheit ererbt und kann auch nicht überliefert werden. Jede neue Generation, ja jedes neue menschliche Wesen muß ihn entdecken und unverdroßen den Weg neu bahnen, wenn es sich in die Lücke zwischen einer unendlichen Vergangenheit und einer unendlichen Zukunft einfügt.“

Hannah Arendt, “Die Lücke zwischen Vergangenheit und Zukunft“

Jede schöpferische Tätigkeit entsteht in der Lücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Wenn die Tradition die Lücke nicht mehr überbrückt, wird das Zwischenzeitliche zur greifbaren Wirklichkeit für alle. Wir sind aufgerufen, den Weg darin neu zu bestimmen. Die sich hier fordernde ‚Kunst des Dazwischen‘ wird politisch bedeutsam.

Als Interpret*innen oder Künstler*innen sitzen wir zwischen vielen Stühlen, sind Mittler*innen zwischen Werk und Publikum, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Immer weniger ist eindeutig feststellbar: weder das Werk, dessen Autorität sich durch Diversität in Frage gestellt sieht, noch ein historisch gewachsener Kanon, den man seiner eurozentristischen Perspektive überführt hat. Neue Zugänge zur Geschichte öffnen sich. Genauso verändert sich auch das Publikum. An die Stelle der einen bürgerlichen Öffentlichkeit tritt eine allgemeine technoökonomische Konnektivität. Neue Formen digitaler Anwesenheit und soziale Netzwerke sind die Schauplätze der Gegenwart. Zuletzt zeichnet sich auch ein anderer Umgang mit der Zukunft ab. Während Zielsetzung und Planbarkeit die Moderne beseelten, lernen wir von der Klimakrise heute, dass wir mit Ungeplantem, mit Ungewissheit und Ambivalenz umgehen müssen.

Sogar unserer „Instrumente“ können wir nicht mehr sicher sein: weder dem Klang, noch dem Wort, weder der Stimme, noch dem Körper. An deren Seite treten neue elektronische Medien und das Internet, die die Entgrenzung der Künste weiter vorantreiben.

Wir fragen also nach unserer Positionsbestimmung in der Lücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Unsere Rolle als Interpret*innen oder Künstler*innen inmitten dieser Wandlungen, stellen wir zur Diskussion – in den Zwischenräumen des Schaffens, zwischen allen Stühlen und im offenen Feldversuch.