11.05.2022 | 18:00 HMDK |Raum 3.01

Das Maß der Improvisation

Teil der Reihe Mit Denken – Transdisziplinäre Gespräche
mit Jürgen Essl, Tobias Wittmann, Rolf Goebel, Tim Strohmeier, Lars Schwarze, Marita Tatari
Improvisieren bezeichnet ein Spielen, das sich auf die Gegenwart einstimmt: auf die Mitwirkenden und auf den Moment, ohne darauf etwas Fertiges zu projizieren. Da sich Improvisation nicht im Voraus entwerfen lässt, geht sie mit einer Praxis einher, die bejaht, was ihr unverfügbar ist: Eine Praxis, die der gegenwärtigen Situation verantwortend entgegenkommt, ohne sie ihr unterzuordnen.

Wir werden über die Kunst der Improvisation sprechen: über das Maß, das ihr ihre Plastizität verleiht. Und wir werden über das diskutieren, was wir dem Geist der Improvisation heute entnehmen können – in einer Zeit, die vom Geist des Projekts und der Planbarkeit durchwaltet ist, und die zugleich aus den Fugen gerät.

Angesichts beispielsweise der Klimakrise, ist heute das Vertrauen in die Annahme, dass wir Menschen die Zukunft planen, die Welt beherrschen und die Natur unterordnen können, erschüttert. Wir sind mit unseren Grenzen konfrontiert. Können wir, statt zu planen, vielleicht etwas Wichtiges von der Improvisation lernen?

 

Prof. Rolf Goebel, UAH Huntsville
Auditive Resonanz und Orgel-Improvisation
Im kritischen Anschluss an Hartmut Rosa, Günther Anders, Jean-Luc Nancy und anderen lässt sich auditive Resonanz als ein körperlich-affektives Eingestimmt-Sein des lauschenden Subjekts auf intensive Klangereignisse bestimmen. Resonanz lässt sich als eine atmosphärisch-immersive Betroffenheit durch eine akustische Präsenz definieren, deren spontan-intuitive Wirkung die Zuhörenden schon ergreift, bevor die analytische Reflexion verspätet das soeben Vernommene deuten kann. Wegen dieser hermeneutischen Verzögerung ist die auditive Resonanzerfahrung nie etwas planvoll Vorhersehbares oder gar Garantiertes; im Gegenteil, sie ist etwas Überraschendes, ein Ereignis ästhetischen Begehrens, das man allenfalls durch aufmerksames Lauschen herbeiwünschen, aber nicht willentlich erzwingen kann. Diese Eigenschaft teilt sie mit der Kunst der Improvisation. Der Vortrag geht der Frage nach, inwieweit diese Definition von auditiver Resonanz zum Verständnis der Improvisation, insbesondere auf der Orgel, beitragen kann.

Rolf Goebel wird via Zoom zugeschaltet

Themenwoche »Improvisation«, Oktober 2019