Vortrag im Rahmen der Reihe »Wissenschaft am Abend«
Mittwoch, 21.10.2020 | 18:00 | Orchesterprobenraum

Die Kraft, mit der eine Kunstpraxis im Raum der Öffentlichkeit ein Ereignis in der Gegenwart über das Gegebene hinaus sein konnte, ließ sich bis Anfang des 21. Jahrhunderts noch auf der Grundlage der Form verstehen: als Überwindung, Sprengen, Unterlaufen älterer Formen. Das Neue, das die Künste auf der Ebene der Form und damit auf der Ebene der ästhetischen Konstitution und Empfindung einführten, wurde als Veränderung rezipiert, die sich potenziell auf einen politischen Horizont projizieren ließ, und die zugleich als Aktualität in die Realität der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse eingriff. Dieser Diskurs erfasst aber längst nicht mehr die Gegenwartssituation. Es gibt heute kein „post“ – postmodern, postdramatisch, posthuman, postcontemporary –, das auf eine Kunsttradition einerseits und auf eine Politik als Horizont dieser Tradition andererseits entscheidend angewiesen wäre. Denn was heute auf dem Spiel steht, ist genau das: Die Adressierung eines autonomen „wir“, das kein Ganzes formt und auf kein Ganzes verweist. Ein „wir“, das nicht „unseres“ ist; das aber, über das Gegebene hinausgehend, nichtsdestotrotz uns in Anspruch nimmt – uns der Transformation von Veränderung, dem change of change aussetzt.

PD Dr. Marita Tatari promovierte 2005 in Philosophie bei Jean-Luc Nancy an der Marc Bloch Universität in Strasbourg und habilitierte sich 2017 in Theaterwissenschaft an der Ruhr Universität Bochum. Sie war Feodor-Lynen Fellow am German Department der University of California at Berkeley (2018-2019) und forscht aktuell mit einem Humboldt-Rückkehrstipendium am Leibniz Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin. 2016 vertrat sie das Fellowship Philosophische Ästhetik am Seminar für Philosophie der Universität Basel. Sie hat am Institut für Philosophie der Universitäten Basel, Patras und Kreta, am Institut für Theaterwissenschaft in Bochum und Leipzig, an der HfBK Dresden und am Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik der UdK Berlin unterrichtet. Bücher: Kunstwerk als Handlung – Transformationen von Ausstellung und Teilnahme, Fink 2017, Orte des Unermesslichen – Theater nach der Geschichtsteleologie (Hsg), diaphanes 2014, Heidegger et Rilke, L;Harmattan 2013.

Eine Kooperation mit dem Institut für Musiikwissenschaft, Musikpädagogik und Ästhetik.

Begrenzte Teilnehmer*innenzahl, bitte Anmeldung per E-Mail an:

 

The Short Now: Marita Tatari