The Short Now
Vortrags- und Gesprächsreihe
im Wintersemester 2019/2020

mittwochs | 18:00 | HMDK Stuttgart | Orchesterprobenraum


16.10. »Rebecca Coleman

23.10. »Henrike Iglesias
06.11. »Mattin
13.11. »Mario de Vega
27.11. »Svenja Reiner
04.12. »Olia Lialina
11.12. »Neo Hülcker
18.12. »Forensic Architecture
15.01. »Susanne Kriemann
29.01. »Steven Walter

 

“It matters what matters we use to think other matters with; it matters what stories we tell to tell other stories with; it matters what knots knot knots, what thoughts think thoughts, what descriptions describe descriptions, what ties tie ties. It matters what stories make worlds, what worlds make stories.”

Donna J. Haraway, Staying with the Trouble: Making Kin in the Chthulucene (2016)

 

Was bedeutet es, gegenwärtig zu sein, wenn die Geschwindigkeit des sozialen und technologischen Wandels unsere Anpassungsfähigkeit zu übersteigen droht? Wann beginnt das ‘Jetzt’ auf einem Planeten, dessen Klimawandel zu einer Klimakatastrophe wird? Woraus ist die Gegenwart gemacht, wie können wir darüber nachdenken und daran partizipieren?

Im Rahmen von „The Short Now“ lädt der CAMPUS GEGENWART Künstler*innen und Theoretiker*innen ein, die ein Interesse für transdisziplinäres Arbeiten teilen und u.a. in den Feldern digitale Medien, Musik, Film, Fotografie, Tanz, Theater, Performance und Figurenspiel arbeiten, ihre Positionen vorzustellen. Diese Künstler*innen, deren Werk im Hier und Jetzt präsent ist, befassen sich auf unterschiedlichen Ebenen mit dem gegenwärtigen Moment – vom Politischen zum Persönlichen, vom Digitalen zum Analogen und vom Klang zur Stille. Ihre Arbeiten führen uns zu der Frage, was es bedeutet, im gegenwärtigen historischen Moment, über den William Gibson schreibt,  „The future is already here – it’s just not very evenly distributed”, Position zu beziehen.

Während wir uns unseren Weg durch die zahlreichen Feeds, Streams und Benachrichtigungen bahnen, getrieben von der Angst, etwas zu verpassen (#FOMO), wird uns vor Augen geführt, wie Kunst – abwechselnd auf explizite, obskure, abstrakte oder spielerische Weise – einen Raum bieten kann, die Welt zu bezeugen und zu reflektieren, noch während sie sich schneller zu verändern scheint, als wir es begreifen können.

Konzeption: Prof. Dr. Jennifer Walshe, Prof. Martin Schüttler, Gabriel Hensche,
Antonia Marten, Julia Wirsching
Organisation: Gabriel Hensche, Antonia Marten, Julia Wirsching

 

Informationen zu den Referent*innen:

Rebecca Coleman (London) unterrichtet seit 2013 im Institut für Soziologie am Goldsmiths College in London. Dort forscht, lehrt und veröffentlicht sie in Medien- und Kulturtheorie, Soziologie und feministischer Theorie. In ihrer aktuellen Forschungsarbeit Mediated Presents: Producing “the Now” in Contemporary Digital Culture untersucht sie kritisch, wie die digitalen Medien gegenwärtige Zeitlichkeiten produzieren, in denen das „Jetzt“ gedehnt, kondensiert und durch die spezifischen Technologien jeweils unterschiedlich erlebt wird. » website

Henrike Iglesias (Berlin/Basel) ist ein queerfeministisches Theaterkollektiv, dessen theatrales Einsatzgebiet sich vom Populären über das Persönliche zum Politischen erstreckt. Henrike Iglesias begreifen popkulturelle und massenmediale Phänomene als Spiegel gesellschaftlicher Zu- und Missstände und haben es sich zur Aufgabe gemacht, diese aus explizit feministischen Perspektiven zu beleuchten. Mit ihrem Debüt Wir kommen nicht aus dem Showbiz (auch wenn man das vielleicht denken könnte)gewannen sie 2013 den Publikumspreis beim 100° Berlin Festival der Sophiensæle. Zuletzt entstanden die Performances GRRRRRL (2016), #Heldinnen (2017) sowie das Workshop-Format Academy (2017), eine Art feministische Traumschule. 2018 produzierte die Gruppe u.a. den feministischen live-Porno Oh my. Bis 2020 arbeiten sie in einer Doppelpass-Partner*innenschaft mit den Münchner Kammerspielen und dem Jungen Theater Basel. Mitglieder des Kollektivs sind Anna Fries, Laura Naumann, Marielle Schavan, Sophia Schroth, Eva G. Alonso und Malu Peeters. » website

In seinen Live-Performances, Aufnahmen und Texten setzt sich Mattin (Bilbao) mit den sozialen und ökonomischen Bedingungen experimenteller Musik auseinander. Die Improvisation untersucht er auf ihre einzelnen Parameter – wie etwa die Idee der Freiheit – hin, um die Konventionen dieses Genres auszutesten. Dabei bezieht Mattin sämtliche Elemente einer Konzertsituation wie etwa das Verhältnis zwischen Darsteller und Zuhörer mit ein und hinterfragt diese kritisch. Gängige Vorstellungen über das Wesen und die Rolle des Publikums werden unterlaufen und dessen Bedingungen dekonstruiert beziehungsweise neu gestaltet. » website

Mario de Vega (Berlin/Mexico City) ist bekannt für seine ortsspezifischen Interventionen, Skulpturen, Soundimprovisationen und experimentellen Publikationen. Im Kontext der Musik untersucht er den Wert von Fragilität, Versagen und Simulation. Zudem interessiert er sich für die zukünftige Entwicklung des Menschen – seine Fähigkeiten und sein Unvermögen –, und erforscht mit seinen Arbeiten beispielsweise die Grenzen der akustischen Wahrnehmung oder die Übertragung von hohen und tiefen Frequenzen in hörbare Töne.
Mario de Vega war u. a. Gastkünstler an der Universität der Künste Berlin, am Internationalen Musikinstitut Darmstadt, an der Technischen Universität Berlin, an der École Nationale Supérieure des Beaux Arts in Paris, an der Universität für angewandte Kunst Wien, an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig sowie am KW Institute of Contemporary Art in Berlin. » website

Svenja Reiner (Köln) studierte Anglistik/Amerikanistik, Wirtschaftswissenschaften, Internationales Kunstmanagement sowie Musikwissenschaften und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Musik in Osnabrück. Sie promoviert über Fans in der Neuen Musik, 2016 erhielt sie den Münchner Förderpreis für deutschsprachige Dramatik. U. a. in ihrem Essay Neue Musik – Neue Fans? Warum wir nicht von Hochkultur-Fans sprechen und warum das (auch) misogyn ist (positionen. Texte zur aktuellen Musik 118, 2019) wirft sie einen humorvoll-analytischen Blick auf die aktuellen Szenen neuer Musik. „Svenja Reiner arbeitet wissenschaftlich, kreativ, und im Kunstmanagement. Sie wohnt in Köln und im Internet. Manchmal ist sie auswärts zu treffen.“ » website

Olia Lialina (* in Moskau, lebt und arbeitet in Stuttgart), Pionierin der Netzkunst und seit 1999 New Media-Professorin an der Merz Akademie in Stuttgart, studierte Journalismus und Filmkritik an der Lomonosov Universität, Moskau. 1998 gründete sie mit Teleportacia die erste Web Art Gallery, 2014 war sie Co-Gründerin des Geocities Research Institute. In ihrem frühen Werk My Boyfriend Came Back From The War (1996) entwickelte sie eine besondere Erzähltechnik mit der Sprache der Elemente eines Webbrowsers und gilt daher als eine der Begründerinnen des Genres net.art. Weitere wichtige Projekte waren u. a. Agatha Appears (1997), Last Real Net Art Museum (2000), Online Newspapers (2004–2018), Summer (2013) sowie zuletzt Self-Portrait (2018), für das sie den Netbased Art Award erhielt. Olia Lialina veröffentlicht regelmäßig Texte über New Media, digitale Folklore und Vernacular Web. » website

Neo Hülcker (Berlin) ist Composer-Performer*in und untersucht in seinen*ihren intermedialen Arbeiten alltägliche Lebensumgebungen. Häufig nehmen die Kompositionen die Form von Performance-Installationen, Videos, Aktionen und Interventionen an und thematisieren digitale Praxen, Kindheit, Tier-Mensch-Beziehungen, queere Handlungsweisen und kulturelles Hacking. Neo Hülcker ist Co-Gründer*in der Youtube-Kanäle ASMR studio berlin und feminist ASMR.
Zu Gast war Neo Hülcker u. a. bei der Münchener Biennale, bei den Darmstädter Ferienkursen, bei den Münchner Kammerspielen, im HAU, bei PACT Zollverein sowie auf wichtigen Festivals für zeitgenössische Musik (u.a. Wien Modern, Warschauer Herbst, London Contemporary Music Festival, Wittener Tage für neue Kammermusik, Sound Acts, Athen sowie Dark Music Days, Reykjavik). » website

Die unabhängige Kunst- und Rechercheagentur Forensic Architecture wurde 2011 unter Leitung von Eyal Weizman mit Sitz am Centre for Research Architecture, Goldsmiths, University of London gegründet. Seither entwickelte der Think Tank die Idee der ,Counter Forensic‘ gegen seiner Ansicht nach staatliche Desinformation und setzt diese zunehmend in Untersuchungen bei Menschenrechtsverletzungen und staatlicher Gewalt ein. Dazu werden Bilder, Videos und sonstige Informationen zusammengetragen und u. a. in Form von digitalen und physischen Modellen, 3 D Animationen, virtuellen Umgebungen oder kartografischen Plattformen modelliert und visualisiert. Die Auswertungen werden als Gegenbeweise zu staatlicher Informationspolitik verstanden und sowohl für Gerichtsverhandlungen als auch für Ausstellungen aufbereitet. Ariel Caine, Künstler und Researcher bei Forensic Architecture, wird am 18.12. an der HMDK zu Gast sein. » website

Susanne Kriemann (Berlin/Karlsruhe) ist Künstlerin und seit 2017 Professorin für künstlerische Fotografie an der HfG in Karlsruhe. Nach ihrem Studium in Stuttgart bei Joseph Kosuth und Joan Jonas nahm sie am Programme de recherche an der École nationale supérieure des beaux-arts in Paris teil. Gemeinsam mit Aleksander Komarov gründete sie das Residenzprogramm AIR Berlin Alexanderplatz.
Susanne Kriemanns künstlerische Praxis ist durch einen erweiterten Fotografie-Begriff gekennzeichnet. Dabei wird das Aufzeichnen als fotografisches Prinzip unter den Aspekten der Temporalität und der materiellen Prozesshaftigkeit innerhalb spezifischer sozialhistorischer Kontexte untersucht. Ihre Arbeitsmethoden reichen von der Recherche in Archiven über Feldforschung bis hin zur Anwendung verschiedener fotografischer Aufnahme- und Druckverfahren.
Kriemanns Arbeit wurde international in Ausstellungshäusern sowie im Rahmen verschiedener Biennalen und Festivals gezeigt; darüber hinaus Teilnahme an zahlreichen internationalen Artist-in-Residence-Programmen. Neben einer Reihe von Publikationen über ihre Arbeit sind seit 1998 sechzehn Künstlerbücher entstanden. » website

Der Musiker, Kurator und Konzertgestalter Steven Walter (Esslingen) ist Initiator, künstlerischer Leiter und Geschäftsführer von PODIUM Esslingen. Das internationale Innovationszentrum für klassische und zeitgenössische Musik wurde für zahlreiche Innovationen im Bereich Konzertgestaltung, Vermittlung und Kommunikation u.a. mit dem ECHO Klassik, red dot award, dem Europäischen Kulturmarken Award sowie mit dem classical:NEXT Innovation Award ausgezeichnet. 2016–2018 verantwortete Walter auch das Programm des digitalen Musikkurators Henry, ein transmediales und serielles Streaming-Angebot von PODIUM Esslingen. 2017–2020 ist er Kurator des von PODIUM Esslingen getragenen Fellowship-Programms #bebeethoven, gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes zum Beethoven-Jubiläumsjahr 2020.
Zudem tritt Walter regelmäßig in verschiedenen Formationen als Kammermusiker im In- und Ausland auf und publiziert überdies zu künstlerischen und managerialen Themen, hält Vorträge bei Fachtagungen und ist Dozent an mehreren Universitäten. » website